Opakes Chrysoprasglas (Uran), Glasmacher Heinz Dick, Schliff Franz Stadler
Liebe Sammlerfreunde,
heute wende ich mich mit einem Warnhinweis an alle Sammlungsbesitzer, die ihre Sammlungen in Vitrinenschränken aufbewahren und die gewollter Maßen luftdicht gemacht wurden, um eine Verstaubung zu vermeiden.
Folgendes habe ich vor einigen Tagen beobachtet, als ich meine Urangläser in meinem Vitrinenschrank aus Kirschholz nicht nur anschaute, sondern auch das oben abgebildete Glas in die Hand nahm: Es fühlte sich seltsam schmierig, fast glitschig an und im Streiflicht waren an der plan geschliffenen Oberfläche deutliche Flüssigkeitsperlen von vielleicht 0,2 mm zu erkennen.
Vor allem fiel mir schon beim Öffnen der Vitrine ein deutlicher Essiggeruch auf, der einzig in dem Fach der Urangläser zu verorten war. Nach Berührung des Glases bemerkte ich einen deutlichen Essiggeruch an den Fingern und nun schoss mir natürlich sofort das Stichwort "Glaskorrosion" durch den Kopf.
Als erstes telefonierte ich mit Rainer Pscheidl, der als Schmelzmeister sicher schon einmal vom Phänomen des Glasschwitzens gehört haben könnte. Aber er verneinte, sagte mir aber zu, einen Chemiker der Glasfachschule hierzu zu befragen.
So recherchierte ich weiter und stieß unter dem von mir eingegebenen Google-Stichwort "Flüssigkeitsausblühungen auf Glas" auf einen wissenschaftlichen Fachartikel, den die Staatlichen Museen Berlin unter dem Titel "Na-Formiatbildungen auf Glasoberflächen - Untersuchungen an historischen Objekten" veröffentlicht haben. Darin wurden einer Studie zufolge an altertümlichen Glasperlen Tröpfchenbildungen beobachtet. Eine chemische Analyse befallener Gläser ergab, dass insbesondere grüne und blaue Gläser, die zur Farbgebung Cu-Beimengungen aufweisen, korrosionsgefährdet sind. Als Auslöser dieser Reaktion konnte das in den Schrankvitrinen aus Spanplatten freiwerdende Formaldehyd bestimmt und die chemische Reaktion vollends erklärt werden.
Nun sind meine Sammlungsschränke aus Massivholz sicher frei von Formaldehyd, ich erinnere mich jedoch, dass die Nitrolacke der Schränke anfangs sehr stark ausdünsteten und auch heute noch vernehmbar riechen, so dass ich annehme, dass hier eine ähnliche Reaktion stattfindet. Echte Korrosionsschäden sind zum Glück noch nicht aufgetreten, aber es gilt vorzubeugen.
Daher möchte ich Ihnen folgendes empfehlen
Lesen Sie den o.g. Fachartikel im Internet nach. Am Ende enthält er Handlungs-empfehlungen, die die Museumsrestauratoren bei ihren historischen Glasperlen angewendet haben.
Betroffen sind bei mir nur einige (meist opake) Urangläser, andere grüne und blaue Farbgläser zeigen das geschilderte Phänomen nicht. Prüfen Sie Ihre Gläser also durch Geruchstest an den Fingern nach Wischen über das Glas, ob es nach Essig riecht.
Reinigen Sie am besten alle Urangläser gründlich mit Seifenwasser, so dass der Oberflächenfilm entfernt ist. Die Museen haben hierfür zusätzlich Aceton eingesetzt.
Lüften Sie Ihre Sammlungsschränke regelmäßig, insbesondere dann, wenn Spanplatten verbaut sind oder Oberflächenlacke verwendet wurden!
Beobachten Sie in regelmäßigen Abständen, ob sich ein neuer Flüssigkeitsfilm gebildet hat und entfernen Sie diesen ggf. sofort.
Ich hoffe, diese Hinweise sind für Sie hilfreich. Im Moment sehe ich keine Gefahr weiter reichender Schäden, ich wollte Sie dennoch frühzeitig vor diesem Phänomen warnen.
Es wäre auch schön, zu hören, ob Sie ähnliche Beobachtungen machen und ggf. die Glasmacher unter uns hierzu Fachwissen beitragen können. Interessant wäre hier eine Klärung, ob es einen Unterschied zwischen Hafenfarben und Zapfenfarben gibt, denn ein Verdacht besteht auch auf eine unterschiedliche Beimengung von Borsilikat zur Verbesserung der Flusseigenschaften.
Der guten Ordnung halber möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich für meine angelesenen Ausführungen keinerlei Gewähr übernehmen kann, da ich mir nicht anmaße, irgendein chemisches Fachwissen zu haben!
Holger Freese
Im April 2023
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